Drei Griechisch-Schüler des KGA nehmen erfolgreich an der „Frankenakademie“ in Würzburg teil.
Die Frankenakademie 2025 bot auch in diesem Jahr besonders engagierten und sprachbegeisterten Griechisch-Schülerinnen und -schülern aus den unterfränkischen Gymnasien in Alzenau, Aschaffenburg, Münsterschwarzach und Würzburg die Möglichkeit, in die Welt der Antike einzutauchen.
Unter der Leitung des Fachreferenten für Griechisch Sebastian Mayer sowie Dr. Michaela Schmale vom Kronberg-Gymnasium Aschaffenburg fand in Würzburg ein intensives dreitägiges Seminar statt, das sich ganz dem antiken Drama widmete.
Tag 1 – Ankunft in Würzburg & Einstieg in die Papyrologie
Nach der Anreise und dem ersten Kennenlernen begann das Seminar mit einem kreativen und zugleich wissenschaftlich fundierten Zugang: Die Schülerinnen und Schüler arbeiteten auf eigens vorbereiteten Papyri.
Sie schrieben kurze griechische Dramentexte nieder, zerschnitten diese anschließend und setzten sie – ähnlich einer antiken Rekonstruktionsarbeit – wieder neu zusammen. Die Methode sollte ihnen die Herausforderungen der Papyrologie näherbringen: fragmentarische Überlieferung, Materialbeschaffenheit und die Kunst, aus Textresten Sinn zu rekonstruieren.
Der praktische Einstieg führte schnell zu lebhaften Diskussionen darüber, wie zufällig und gleichzeitig bedeutend die antike Textüberlieferung ist.
Tag 2 – Besuch des Instituts für Klassische Philologie & Vortrag
Der zweite Tag begann am Institut für Klassische Philologie der Universität Würzburg.
Dort wurden die Teilnehmenden von MB Dr. Robert Christoph begrüßt, der die Kostbarkeit der Bildung betonte – und gleichzeitig die Freiheit, die sie jungen Menschen verleiht, indem sie ihnen ermöglicht, Welt und Geschichte zu verstehen und sich selbst darin zu verorten.
Anschließend folgte der zentrale wissenschaftliche Programmpunkt:
Ein Vortrag von PD Dr. Jan Erik Heßler zur Textüberlieferung und Rekonstruktion. Heßler führte die Schülerinnen und Schüler in die präzise und oft detektivische Arbeit moderner Philologen ein: Variantenvergleich, Paläographie, philologische Argumentation und der Umgang mit beschädigten oder widersprüchlichen Quellen.
Im Anschluss besuchten die Teilnehmenden die Antikensammlung der Residenz. Nachmittags blieb Zeit, Würzburg auf eigene Faust zu erkunden, bevor die Gruppe wieder zusammenkam, um an ihren kreativen Projekten weiterzuarbeiten.
Tag 3 – Vorstellung: Antike Mythen neu gedacht
Am dritten Tag widmete sich das Seminar vollständig der kreativen Auseinandersetzung mit tragischen Stoffen. Die Schülerinnen und Schüler arbeiteten in Gruppen zu sechs unterschiedlichen Themen, die jeweils klassische Figuren in moderne Kontexte überführten oder aus ungewohnten Perspektiven präsentierten.
Projektbeispiel 1: Der Familienchat der Atriden
Der „Familienchat der Atriden“ setzte die zerrüttete Beziehung zwischen Elektra, Iphigenie und Orest in die Form eines modernen Messenger-Gesprächs.
Mit einem genervten „Iphi pls ????“ eröffnet Elektra den Chat und berichtet, dass ein Gespräch mit Klytaimnestra nur dann möglich sei, wenn man bereit sei, „dem Zepter auszuweichen“.
Orest kommentiert im Tonfall eines tragischen Helden:
„Macht mir (k)ein Theater!!! Ich bin eher dafür, wie wir’s in den Tragödien gelernt haben… brutal und blutrünstig.“
Höhepunkt ist ein dramatisches Mini-Skript, das Orest selbst in den Chat stellt: Er schleicht durch den Palast, stellt seine Mutter zur Rede, und schließt schließlich mit dem klassisch-pathetischen „…und dann zücke ICH das ξίφος – Licht aus, Vorhang zu…“.
Das Projekt verband Ironie, Humor und Tragik auf moderne Weise und ließ Dramatik lebendig werden.
Projektbeispiel 2: Der verkehrte Ödipus
In einer satirischen Variante des Ödipus-Mythos wusste Ödipus von Anfang an alles – und versuchte verzweifelt, seine Tat vor dem Volk zu verbergen.
Die Gruppe ließ ihn beim Bäcker eine „Totschlagtorte“ bestellen, über die teurer gewordene Gyrosbox aus dem Rotlichtviertel schimpfen und sich über Iokastes „I ♥ Laios“-Schlafanzug empören.
Unter dem Motto „Make Theben Great Again“ versuchte er seine Popularität zu retten, während er gleichzeitig über alles herummotzte.
Die Mischung aus Alltagskomik und Tragödienstoff sorgte für viele Lacher.
Projektbeispiel 3: Medea zwischen Teufelchen und Engelchen
Diese Gruppe inszenierte Medea als psychologisch-humorvolle Figur, begleitet von einem Teufelchen und einem Engelchen, die ihr widersprüchliche Ratschläge gaben.
Während das Engelchen zur Vernunft mahnte, hetzte das Teufelchen Medea regelmäßig zu impulsiven Taten an.
Am Ende entschied sich die Gruppe für eine überraschende Lösung: Medea tötet Jason nicht, sondern „machte ihn zur Schnecke“ – indem sie ihn in eine solche verwandelte.
Projektbeispiel 4: Orest vor Gericht
In einem modernisierten Gerichtssetting musste Orest sich für die Tötung seiner Mutter verantworten.
Die Richterin zeigte allerdings konsequente Langeweile: „Null Bock“ auf Familienkonflikte, genervtes Blättern, müdes Augenrollen – ein absurder Kontrast zur tragischen Vorlage.
Orest versuchte verzweifelt, mit Berufung auf göttliche Gebote sein Handeln zu verteidigen, doch die Richterszene entlarvte die Frage der Schuld als ebenso menschlich wie widersprüchlich.
Projektbeispiel 5: Hellas News – Prozess gegen Antigone
Als moderne Nachrichtensendung inszenierte eine Gruppe die Tragödie der Antigone:
Unter dem Titel „Hellas News“ berichteten sie live vom Gerichtsprozess gegen die Heldin.
Dazu gehörten:
Interviews mit Bürgerinnen und Bürgern, teils pro Kreon („Ohne Gesetz herrscht Chaos“), teils pro Göttergesetze („Der Familie schuldet man Treue“).
Live-Schalten vom Gerichtssaal
Berichte über die „No Kings“-Demonstration in Theben, in der Einwohner gegen Kreons Herrschaft protestierten
Die Mischung aus journalistischem Stil, politischer Satire und tragischem Ernst zeigte, wie vielseitig die antiken Konflikte in moderne Medienformate übertragen werden können.
Fazit
Die Frankenakademie 2025 zeigte wieder einmal eindrucksvoll, wie fruchtbar die Verbindung aus wissenschaftlicher Auseinandersetzung und kreativer Interpretation sein kann.
Die Schülerinnen und Schüler gewannen nicht nur einen tiefen Einblick in die philologische Arbeit, sondern fanden zugleich originelle Zugänge zu den großen Stoffen der griechischen Tragödie.
Würzburg bot dafür den idealen Rahmen: traditionsreiche Wissenschaft, lebendige Kultur – und genügend Freiraum für eigene Ideen.
Das Seminar endete mit dem Gefühl, dass antike Texte auch im 21. Jahrhundert eine starke, inspirierende Kraft besitzen.
Dr. Philipp Böhme, Alzenau
